Scheitern schmerzt und kratzt am Selbstwert. Es löst Scham aus und lässt alles wanken, worauf wir gebaut haben. Genau dort, im Moment des Zusammenbruchs, entsteht etwas Neues: Resilienz – die Fähigkeit, nach Krisen wieder aufzustehen und weiterzugehen.
Bildung ist oft nichts anderes als das Werkzeug, das uns dabei hilft, neu zu beginnen und das eigene Leben bewusst zu gestalten – bewusster zu leben.
Unser Beitrag als Podcast
Worum gehts in diesem Artikel?
Resilienz bedeutet nicht, unverwundbar zu sein, sondern die Fähigkeit, nach Krisen neu zu wachsen. Bildung kann diesen Prozess unterstützen – als Weg, Selbstvertrauen, Sinn und Stärke neu zu entdecken.
Das Wichtigste vorab zusammengefasst
- Scheitern ist kein Versagen, sondern ein Lernmoment
- Resilienz entsteht aus Krisen, nicht aus Komfort
- Bildung hilft, innere Stabilität zurückzugewinnen
- Selbstmitgefühl ist Teil des Lernprozesses
- Wer wieder aufsteht, schreibt seine Geschichte neu
Was scheitern (wirklich) bedeutet
Scheitern heißt nicht, zu versagen – es heißt, dass etwas nicht so läuft, wie wir es geplant haben. Ein Ziel bleibt unerreicht, eine Beziehung zerbricht, ein beruflicher Weg endet abrupt. Es ist die Konfrontation mit der eigenen Begrenztheit – und zugleich der Moment, in dem Neues möglich wird.
In der Psychologie wird Scheitern nicht als Niederlage, sondern als Teil des Lernprozesses verstanden – und so möchten auch wir in der Maturaschule in Wien dieses Thema vermitteln. Erst wenn etwas nicht gelingt, erkennen wir, was uns wirklich wichtig ist. Der österreichische Psychiater und Holocaust-Überlebende Viktor Frankl formulierte es so:
Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.
Scheitern öffnet genau diesen Raum – zwischen dem, was geschehen ist, und dem, was wir daraus machen.

Was hat Resilienz mit Bildung zu tun?
In den letzten Jahren ist viel von Resilienz die Rede, man möchte meinen, es handle sich um ein Modewort. Vielleicht, weil unsere Zeit brüchiger geworden ist. Doch Resilienz ist mehr als ein Schlagwort – sie ist die leise Kunst, in der Krise nicht zu zerbrechen, sondern sich neu zu formen.
Sie beschreibt die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen und ist kein angeborenes Talent, sondern eine Haltung, die entsteht, wenn wir mit Krisen leben lernen. Wer resilient ist, bricht nicht – er verwandelt. Aus Schmerz wird Erfahrung, aus Stillstand wird Bewegung, aus Angst wird Mut.
Und genau hier beginnt Bildung. Denn Lernen bedeutet, das eigene Denken zu verändern. Es heißt, aus Fehlern Sinn zu ziehen und Wissen in Kraft zu verwandeln.
Wer nach einem Bruch zurück in die Schule, in einen Kurs zur AHS-Matura oder zur Berufsreifeprüfung findet, übt Resilienz – ganz praktisch, Schritt für Schritt.
Die sieben Säulen der Resilienz
| Säule | Beschreibung | Beispiel |
| Optimismus | Vertrauen, dass Schwierigkeiten vorübergehen. | „Auch das geht vorbei.“ |
| Akzeptanz | Realität annehmen, statt sie zu verdrängen. | Jobverlust als Wendepunkt sehen. |
| Lösungsorientierung | Den Fokus auf Handlung statt Schuld legen. | Weiterbildung starten statt grübeln. |
| Selbstwirksamkeit | Glaube an die eigene Einflusskraft. | „Ich kann etwas verändern.“ |
| Verantwortung | Eigenen Anteil am Geschehen erkennen. | Aktiv neue Wege suchen. |
| Netzwerkorientierung | Unterstützung annehmen und geben. | Lernen in der Gruppe, statt allein. |
| Zukunftsplanung | Sinnvolle, realistische Ziele setzen. | Matura oder Ausbildung als Neubeginn. |
Diese Säulen zeigen, wie stark der Zusammenhang zwischen Lernen und psychischer Widerstandskraft ist: Bildung ist gelebte Resilienz.
Wenn Lernen zum Wiederaufstehen wird
Wer scheitert, steht irgendwann an einem Punkt, an dem alles möglich scheint – im Guten wie im Schlechten. Man kann sich in Scham verlieren oder in Neugier finden.
Man kann resignieren oder anfangen, Fragen zu stellen:
- Was will ich wirklich?
- Was will ich anders machen?
- Was kann ich (noch werden)?
Genau dort beginnt der zweite Bildungsweg. Ob jemand die Matura nachholen will oder einfach wieder in den Lernrhythmus findet – es ist immer ein innerer Neubeginn.
Lernen bringt Struktur in das Chaos, stärkt den Selbstwert und eröffnet Perspektiven. Es beweist, dass Entwicklung nie aufhört, solange man bereit ist, sie zuzulassen.

Vom Fallen und Fliegen
Resilienz zeigt sich nicht in aalglatten Biografien, sondern in Brüchen und Momenten, in denen Menschen scheitern – und weitermachen. Einige von ihnen sind zu Sinnbildern geworden für Mut, Erkenntnis und Neubeginn:
- Viktor Frankl – überlebte Konzentrationslager, verlor fast seine ganze Familie und entwickelte daraus die Logotherapie – eine Lehre vom Sinn im Leiden.
- Marie Curie – verlor ihren Mann, forschte weiter und erhielt zwei Nobelpreise.
- Nelson Mandela – saß 27 Jahre im Gefängnis und verwandelte Schmerz in Versöhnung.
- Steve Jobs – wurde aus seiner eigenen Firma geworfen und kehrte zurück, um sie zu retten.
Fazit
Resilienz wächst dort, wo wir aufhören, uns zu verstecken. Scheitern zwingt uns, ehrlich zu werden – mit uns selbst und mit dem Leben. Wer dann lernt, verändert sich. Wer sich verändert, wächst. Und wer wächst, beginnt irgendwann neu.
Resilienz ist keine schnelle Antwort auf Schmerz. Sie ist das stille Reifen nach dem Sturm, das leise Vertrauen, dass wir wieder Tritt fassen werden – auch wenn noch alles wankt.
In diesem Sinn ist Bildung kein Ziel, sondern ein Weg: ein Raum, in dem Menschen sich selbst wiederfinden dürfen, nachdem etwas in ihnen zerbrochen ist. So gesehen ist jeder Schritt auf dem zweiten Bildungsweg ein leises, aber mächtiges Zeichen von Stärke – ein kleiner Phönixmoment im Alltag.
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